Schreib-Tipp #10: Episch, pathetisch, nervtötend

Vielleicht hast du literarisch Großes vor. Eine weltbewegende Geschichte geht dir durch den Kopf, ein Höhepunkt mit Herzinfarkt-Risiko, eine Hauptfigur, die mehr Leid erfährt als Musikliebhaber in einem Pop-Konzert. Toll! Pass nur auf: Wenn du in der Überzeugung schreibst, deine Story werde den Leser zutiefst erschüttern und bewegen, erreicht dein Text wahrscheinlich das genaue Gegenteil: Langeweile.

Du arbeitest hastig, kannst es kaum erwarten, an deinen Höhepunkten dem begeistert wimmernden Leser seinen Glauben an die Existenz zu nehmen. Oder du schreibst die wichtigen Szenen gleich zu Beginn und willst sie dann nur noch irgendwie verbinden. Wenn das „Füllmaterial“ aber achtlos geschrieben ist, legt dein Leser das Buch genervt beiseite, bevor es überhaupt losgeht.

Jede Geschichte hat spannende und träge Momente. Stell dir das am besten wie eine Torte vor: Da gibt es leckere Früchte, Schokolade – und Zutaten wie Mehl. Du läufst in deinem Text Gefahr, das Interessante vom Trockenen getrennt zu servieren. Bei einem Buch noch fataler: Du tischst die Dinge nacheinander auf. Du setzt deinem Leser einen Haufen Mehl vor und sagst: „Iss das, dann gibt es herrliche Schokolade!“. Nein danke.

Ein Roman lebt davon, dass er niemals zu langweilig wird. Du kannst Teile der großen Erkenntnis bereits vorher einstreuen, wenn dir eine Szene ereignislos erscheint. Der große Showdown mit dem Antagonisten kann zuvor schon in kleinerem Maß stattfinden, etwa bei einer Verfolgungsjagd. Unscheinbare Schritte auf dem Weg zum Ziel können plötzlich wichtig werden, weil sie fehlzuschlagen drohen. (Der Mörder kauft sich eine Pistole, aber die Polizei hat davon schon Wind bekommen)

Gut sind:

  • Ein Anfang, der Fragen aufwirft und das Ziel der Hauptfigur deutlich macht
  • Hindernisse, die sich in den Weg stellen (und immer unüberwindbarer werden?)
  • Nebenfiguren, die Details enthüllen (aber auch selbst ihre Geheimnisse haben können)
  • In jeder Szene frische Elemente (in Sprache, Dramaturgie, Umgebung, …)

Dann kann auch der Höhepunkt seine volle Wirkung entfalten. Nicht die Idee allein macht also die Qualität, auch das Handwerk danach muss stimmen. Einen gut produzierten Pop-Song kann man bis zum Höhepunkt hören, obwohl man seine Ideenlosigkeit verachtet – und Fifty Shades of Grey lässt einen auch beim Kotzen nicht mehr los

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