An einer Hauptstraße

Ich halte meinen Blick gesenkt,
ich schlängle mich schneller zwischen
Häuserfronten, Fahrzeugen, Menschen hindurch,
die mir entgegenkommen, während ich
gespannt versuche, achtlos  zu bleiben
gegen Blicke, gegen Gesten, gegen Geister und Schemen,
die mich umkurven, eng umschlingen und erst hinter mir
Gestalt annehmen, hinterher das Bild ergeben,
das sich mir aufdrängt.

Eine menschenleere Straße voller Augenpaare,
unbewegte Luft doch voll Beklemmung und Gedränge,
eine Menge Konflikte, abgewendete Blicke,
die als Streifstoß knapp ihr Ziel verfehlen,
sich aber dann nach mir umdrehen –
Gebündelt, gestaut, gesichtslos, ergraut, bedrückend
tritt die Stadt mich kollektiv in den Rücken.

Die Straße kippt vorwärts und der Teer beginnt zu rollen,
Wellenberge aus Asphalt bis über Pflastersteine, unter meinen
Schuhen fließt der Boden bereits und brodelt graue Blasen
platzend immer heißer, schneller, lauter meine Schritte setzen
Flächen in Brand und rutschen vorwärts schlittern abwärts treten
Rauch in meinen Kopf bis mir die Augen tränen heiß verdampfen
Flammen in mir, treten Erinnerungen aus an schwere Worte für
Das, was mich umgibt, lässt von mir ab und ich steige auf.

Ich schwebe.
Ich bewege mich nicht,
nur die Straßen brennen unter mir vorbei.
Nur mein Körper hängt an mir.
Und ich seh es nicht,
aber da unten setzt die Stadt sich frei.

Man öffnet die Augen,
man sieht sich an,
dass die Stadt entwichen ist.
Man schaut sich um,
lässt die Hände durch das Gras
zwischen den Häuserreihen wandern.
Man steht auf
und hat sein Ziel vergessen,
man lädt zueinander ein.
Ich liege dazwischen,
hab die Sonne im Gesicht –
es ist still.

Stadtverkehr

Städte sprechen Bände voller Menschen
Menschen voller Wahrnehmung
Wahrnehmung voller Städte
Die sie nicht lesen.

Sekunden quillen über vor Geschehen
Rennen überglücklich ohne Halt
In ihre Glasdrehtür Reflektionen
Die sich zu spät öffnen.

Gesichter quillen über, voll von Spannung
Spiegeln emsig Neuerungen wider
Hilflos undurchdringlich Intentionen
Die sich zu spät äußern.

Menschen sprechen Bände voll von Leben
Leben voll von Sprechen
Sprechen voll von Menschen
Die sie beiseite legen.

Reduktion

Menschen taumeln abwärts durch Vakuum und zerplatzen
Hilflos, den Blick an ein Oben geschweißt, das mit ihnen fällt
Bis ihnen die Augen aus den Höhlen quellen
Sehen sie, und so lange sie fallen
Wähnen sie sich noch über der Welt

Sie fallen und greifen nach schneidenden Fäden
Längst blutend von dem, was der Raum immer neu erspinnt
Und von den Gesichtern, in die sie pausenlos schlagen
Und spucken und treten und alles, was Raum gewinnt

Den sie mit geschwollenen Zähnen
Zerfleddern, weil alles, was reißt
Sie begleitet – und sei es nur
Der Schmerz ihrer mahlenden Kiefer
Das Maschinenfeuer ihrer Sinne
Die Elektrokution ihres Verstandes
Der Terror, irre blitzende Gedanken

treiben sich in Schädel
wenn sie wüssten woher
sie würden es verleugnen
wollen es ausmerzen
und stürzen nur darauf zu
haltlos, nichts als einen hoffenden Blick
der mit ihnen fällt.

Lobotomie

Ein leuchtend schwarzer Spalt
Wenige Nanometer breit
Scharf und pulsierend
Vor meinen Augen
Vor meiner Haustür
Vor den Gesichtern
Die ich sehen will
Fährt er auf mich zu
Zwischen meine Augen
Zwischen meine Gedanken
Zwischen das, was mich verbindet
Mein Gleichgewicht
Eine leuchtend schwarze Trennung
Fährt zwischen mich
Und löscht mich zur Hälfte aus
Drängt mich zurück in die hinterste schwarze Ecke
Die das alles nicht fassen kann.

Eine Reise

Der Wind hat meine Schritte von den Dünen geweht
und die Dünen zerfegt, auf denen meine Schritte waren.
Er zerrt an den staubdurchsetzten Stoffetzen, die mich bedecken
und löst mich heraus, bis sie entleert in den Sand sacken.
Meine Gedanken liegen in den Wehungen verstreut
oder schmirgeln mir das Gesicht ab, bis ich brenne
Meine Hoffnung ist in Schweißperlen zerflossen
und in Höhen zerdampft, die ihr immerhin gerecht werden können.

Ich kann nicht vergessen, wohin ich will, aber auch nicht wissen, wohin ich gehe
stolpere falle krieche
Ich kann nicht vergessen, woher ich komme, aber will nicht wissen, was ich trage
wälze leugne vergötze

Ich drücke deine Augen in den Sand, der mich beerdigt
und sehe in der Schwärze deinen Blick verloren schimmern.
Ich atme dein Gesicht ein, kratzend staubig heiß und formlos
bis Erinnerungen meine tote Lunge überfüllen.
Meine Gedanken platzen in den Kapillaren
und sind an ihrem Ende, sind im heißen Sand zerronnen.
Meine Hoffnung ist, dass ich bald nichts mehr spüre
von gnadenlosem Fieber, irren Kreisen und der treibend fernen Sonne.